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I. Zur Vorgeschichte
Am 25.11.2011 verkündete das Landgericht Saarbrücken ein Urteil (Az. 13 S 117/09), mit dem nach „recht illustrem“ Verfahrensgang ein von einem Grundeigentümer in 2006 vor dem Amtsgericht Lebach begonnener Rechtsstreit (Az. 3A C 80/06) gegen die RAG Aktiengesellschaft zunächst sein positives Ende fand. Die RAG wurde verpflichtet, dem Grundeigentümer wegen zurückliegender bergbaubedingter Erschütterungen eine auf § 906 Abs. 2 BGB fußende sog. nachbarrechtliche Ausgleichszahlung zu leisten.

 1. So formuliert, klingt das recht einfach, faktisch und rechtlich kompakt - ist es aber gerade nicht!
Es geht nicht um die Frage, ob eine oder mehrere bergbaubedingte Erschütterungen Gebäudeschäden verursacht haben, die nach Bundesberggesetz (BBergG) und schadensersatzrechtlichen Maßgaben zu regulieren wären. Vielmehr ging und geht es im Wesentlichen um die nachbarrechtliche Frage, ob bergbaubedingte Erschütterungen – in welcher Intensität, in welcher Anzahl, mit welcher Zeitdauer bzw. in welchem Zeitraum (?) – zwar vielleicht als in einer bestimmten Region noch ortsüblich anzusehen waren/sind, aber eine wesentliche und unzumutbare Beeinträchtigung der jeweiligen Grundstücksnutzung herbeigeführt haben/herbeiführen! Wenn ja, kann ein nicht näher definierter „angemessener Ausgleich“ in Geld verlangt werden.
Die obige Darstellung gibt Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen des § 906 BGB nur auszugsweise und vereinfacht wieder.

2. Das eingangs gen. Landgerichtsurteil war auch kurz Gegenstand der Sitzung des Unterausschusses Bergbausicherheit des nordrhein-westfälischen Landtages am 16.12.2011. Weil die RAG in den damaligen Gesprächen und am 16.12.2011 eine Übertragbarkeit saarländischer Verhältnisse und des o. g. Landgerichtsurteils auf NRW aus diversen, teils auch prinzipiellen Erwägungen heraus ablehnte, wurde VBHG-seits Anfang 2012 in sehr aufwendiger Auswertung allgemein zugänglicher Erschütterungsdaten zunächst eine vergleichsweise groß angelegte, mehrere tausend hypothetisch erschütterungsbetroffene VBHG-Mitglieder erfassende Betroffenheitsnachfrage gestartet. Die (deutlich geringeren) Rückmeldungen wurden im März 2012 in eine der vorangegangenen saarländischen Handhabung (RAG/VBHG) entsprechende „vorsorgliche Anspruchsanmeldung“ eingebunden (häufig auch kurz mit „Mitglieder-Aktion“ betitelt).
Mangels inhaltlich-ergebnisbezogenem Fortgang der 2012er Gespräche entstand daraus dann – im Januar 2013 durch RAG quasi vorgeschlagen bzw. eingefordert – die abgestimmte Überlegung eines VBHG-betreuten Musterprozesses für NRW. Auf der Basis der über den seinerzeitigen Prozesssachverhalt hinausgehenden Wertungsvorschläge des LG Saarbrücken und nach Anforderung und Auswertung der bei der Bergbehörde vorliegenden (= offiziellen, „nachweisstabilen“) Erschütterungsdaten wurden vorsorglich 3 Klagen vor 3 Amtsgerichten erhoben. Durch umfangreiche gutachterliche Ausarbeitungen des VBHG und weitere Informationsunterlagen wurden für alle 3 Amtsgerichte die Musterprozesse auch als Trias (mit Anlehnung an die saarländische Landgerichtsentscheidung als „Blaupause“) kenntlich gemacht.

3. Bei Interesse können weitere Informationen zur Vorgeschichte und Entwicklung der 2013 begonnenen Musterprozess-Trias zur Frage erschütterungsbedingter nachbarrechtlicher Ausgleichzahlungen zurückliegenden Geschäftsberichten des VBHG und den diesbezüglich zzt. 8 Artikeln auf der VBHG-Website (Rubrik „Nachrichten“) entnommen werden. Die Artikel beginnen in der Regel mit der auch als Suchkriterium nutzbaren Einleitung „Musterprozesse – …“.

II. Zum Stand der (Auslotungs-)Gespräche RAG/VBHG
Vor obigem Hintergrund seien die bisherigen Inhalte der Auslotungsgespräche, nicht unerhebliche sachverhaltsbezogene Auswertungsschwierigkeiten und die Absehbarkeit erforderlicher, aber wohl auch akzeptabler Kompromissfindungsmöglichkeiten nachfolgend zumindest im Überblick dargestellt.
Eine weitere, voraussichtlich umfangreichere Betrachtung wird nach Abschluss der Gespräche in den jahresbezogenen Geschäftsbericht des VBHG aufgenommen werden.

1. Rahmensetzung durch die Urteile der AGe Hamm/Dorsten/Rheinberg
Der Rahmen für die laufenden (Auslotungs-)Gespräche mit RAG wurde und wird zwangsläufig durch die erstrittenen (Musterprozess-)Urteile gesetzt:

Amtsgericht Hamm: Az. 17 C 335/13, Urteil v. 04.04.2014, rechtskräftig.
Das Berufungsverfahren vor dem Landgericht Dortmund wurde durch das das Amtsgerichtsurteil bestätigende Urteil des Landgerichts vom 28.02.2017 (Az. 17 S 74/14) beendet. Die objektbezogene Auswertung der Erschütterungsereignisse durch Abbau des Bergwerks Ost umfasste die auswertbaren/ausgewerteten Kalenderjahre 2008 – 2010 (Abbaueinstellung in 2010).
Amtsgericht Dorsten: Az. 21 C 399/13, Urteil v. 13.06.2014, rechtskräftig.
Das Berufungsverfahren vor dem Landgericht Essen fand ein vergleichsweise schnelles Ende durch Zurückweisungsbeschluss des Landgerichts vom 13.10.2014 (Az. 10 S 260/14). Die objektbezogene Auswertung der Erschütterungsereignisse durch Abbau des Bergwerks Lippe umfasste sachbedingt nur noch das auswertbare/ausgewertete Kalenderjahr 2008 (Abbaueinstellung in 2008).
Amtsgericht Rheinberg: Az. 12 C 424/13, Urteil v. 18.10.2018, nicht rechtskräftig.
Das Berufungsverfahren vor dem Landgericht Kleve (Az. 6 S 124/18) ruht auf RAG-Vorschlag/Antrag, wegen der laufenden Gespräche auch einvernehmlich. Die objektbezogene Auswertung der Erschütterungsereignisse durch Abbau des Bergwerks West umfasste die auswertbaren/ausgewerteten Kalenderjahre 2008 – 2010 (ortslagenbezogene Abbaueinstellung in 2010).


Die Gerichtsurteile und -wertungsansätze im Ergebnisüberblick:
• Allen drei klagenden VBHG-Mitgliedern wurden – mit nicht unerheblichen Abstrichen gegenüber den am Saarbrücker Landgerichtsurteil orientierten Klageforderungen – Ausgleichs(zahlungs)ansprüche nach § 906 Abs. 2 BGB zugesprochen. Die RAG-Ansicht von der Unvergleichbarkeit der seinerzeitigen Verhältnisse im Saarland und diverser Erschütterungsereignisse in NRW (Intensität, Anzahl, zeitraumbezogene Dichte) hatte keinen gänzlich anspruchsverneinenden Bestand!
• Ob die Beeinträchtigung der Grundstücks-/Wohngebäudenutzung durch bergbaubedingte Erschütterungen als wesentlich (iSd § 906 BGB) anzusehen ist, wurde erwartungsgemäß auch von den nordrhein-westfälischen Gerichten an Grenzwerten aus der DIN 4150 („Erschütterungen im Bauwesen“), insbes. Teil 2 („Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden“), beurteilt.
Anmerkung: Auswertungs- und darstellungserschwerend war, dass anders als im Saarland keine Erschütterungsmesswerte gem. DIN 4150-Teil 2 vorlagen und herangezogen werden konnten. Die Werte der vorliegend auf „Einwirkungen auf bauliche Anlagen“ ausgerichteten Messstationen/Seismografen mussten großteils interpretiert und umgerechnet werden.
Die abschließende Wertung der drei Gerichte, ab wann bergbaubedingte Erschütterungen (nach Intensität, Anzahl, zeitlicher Dichte) sowohl als wesentliche als auch darüber hinaus als unzumutbare Beeinträchtigung(en) und damit anspruchsauslösend zu werten sind, differiert nur ein wenig (gerichtseinheitlicher Basisansatz: Wertung von Erschütterungen mit einem KB-Wert ≥ 3 als wesentlich // Wertung zweier der drei Amtsgerichte: zeitraumbezogene Unzumutbarkeit ab/bei 5 bzw. 6 entsprechenden Erschütterungsereignissen / Wertung eines der drei Amtsgerichte: zeitraumbezogene Unzumutbarkeit ab/bei 4 bzw.5, auf jeden Fall bei 7, entsprechenden Erschütterungsereignissen).
• Bemessung des „angemessenen Ausgleichs“ (in Geld) anhand eines schätzweise festgelegten Prozentsatzes des hypothetischen Grundstücks-/Wohngebäudemietwertes (AGe Hamm u. Dorsten: Prozentsatz des Tagesmietwertes mit Blick auf die „Nur“-Sekundendauer bergbaubedingter Erschütterungen / AG Rheinberg: Prozentsatz des Monatsmietwertes in Anlehnung an das LG Saarbrücken).
• In Abhängigkeit vom regional natürlich unterschiedlichen Erschütterungsaufkommen (Intensität, Anzahl, zeitl. Dichte) und dem unterschiedlichen Zeitraumbezug hinsichtlich der jeweiligen Mietwertprozentsätze sprachen die Gerichte den klagenden VBHG-Mitgliedern folgende konkrete Ansprüche zu: AG Hamm 136 Euro (rechtskräftig) / AG Dorsten 93 Euro (rechtskräftig) / AG Rheinberg 1.290 Euro (nicht rechtskräftig).

2. Gesprächsstand RAG/VBHG (Sep. 2019)
Seit Gesprächsaufnahme Ende November 2018 haben RAG und VBHG sieben mehrstündige Arbeitstreffs mit rd. zehn telefonischen Begleiterörterungen durchgeführt. Der nächste – vermutlich bereits abschlussnahe – Arbeitstreff ist für Oktober vorgesehen. Die bisherigen Ergebnisse lassen sich im Wesentlichen wie folgt skizzieren:

• Bis auf die erste und die letzte Besprechung sind alle Arbeitstreffs angefallen, weil im Rahmen sehr aufwändiger – teils nochmaliger, teils aktualisierender – Messdateneinsichtnahmen und -auswertungen zunächst einmal eine gemeinsame, beidseits als belastbar betrachtbare Regional-Analyse zurückliegender Erschütterungsbetroffenheit(en) durchzuführen war.

• Einige Eckdaten zur Analyse: 1) Die Basis bildeten die VBHG-seits in die drei o. g. Musterklagen eingebrachten Messdaten/-stationen. Die teils wiederholenden, teils zu aktualisierenden Betrachtungen betrafen nun die Kalenderjahre 2008 bis 2018 und die Bereiche der RAG-Bergwerke West, Walsum, Prosper-Haniel, Lippe, Auguste Victoria, Ost (bis zur jeweils endgültigen bzw. vorliegend ortslagenbezogen maßgebenden Abbaueinstellung). 2) Als Ab-/Ausgrenzungsparameter diente im Wesentlichen ein Radius von einem Kilometer rund um die relevanten Messstationen, wobei dann eine die Betroffenheitsannahmen ausweitende Optimierung unter Betrachtung der vorliegend maßgebenden Bauhöhen vorgenommen wurde. 3) Angemerkt sei, dass bereits in der Vorbereitung der Musterprozesse in umfangreicherer Überprüfung von Erschütterungsdaten und zugehörigen Messstationen erkennbar wurde, dass die zunächst durchaus plausibel erscheinende Annahme, der sog. Einwirkungsbereich untertägiger Abbaue könne stellvertretend einen brauchbar(er)en Ansatz als der über existierende Messstationen und dort gemessene Erschütterungsdaten gewählte bilden, fehlgeht. Dies zeigten recht deutlich seinerzeitige Auswertungen der Erschütterungsdaten von Messstationen, die teils sogar abbaunäher lagen als die später unter Optimierungsgesichtspunkten für die Musterprozesse VBHG-seits ausgewählten Messstationen. => Der Analyseansatz über belastbare Daten existenter Messstationen mit nicht ersetzender, vielmehr „nur“ ausweitend optimierender Einbeziehung auch der jeweiligen Abbaulagen scheint deshalb (und abschließend) der beste Ansatz zu sein.

• Der § 906 BGB regelt nachbarrechtliche Ansprüche von Grundeigentümern (bzw. Inhabern grundeigentumsgleicher Rechte). Mit Blick auf ihre Handhabung im Saarland (2012) wird die RAG nach Andeutungen und diesseitiger Einschätzung aber ggfs. bereit sein, auch „anderweitig wohnberechtigte Haushalte“ einzubeziehen.
Einzelheiten, wie zurückliegend Erschütterungsbetroffene ihre Berechtigung zur Antragstellung bzw. Zugehörigkeit zum Begünstigtenkreis und eine hinreichende Wohnnutzung in den maßgebenden Kalenderjahren/Erschütterungszeiträumen nachweisähnlich aufzuzeigen haben bzw. darstellen können, sind noch nicht besprochen. Für seine in die Musterprozess-Aktionen einbezogenen Mitglieder (Aktion aus 3/2012) wird der VBHG möglichst unterstützend und vereinfachend tätig werden und zur Verfügung stehen.

• Die Auswertungen und Verhandlungen zur Festlegung konkreter Ausgleichs(zahlungs)beträge sind bereits weit fortgediehen, aber noch nicht gänzlich bzw. für nähere Erläuterungen noch nicht hinreichend abgeschlossen. Deshalb seien an dieser Stelle nur einige Rahmenbedingungen/Eckdaten skizziert:
1) Vorgesehen ist keine – einzelermittlungs- und einzelberechnungsartig wirkende – Festlegung individueller Beträge. Denn dies würde vordergründig eine sachbedingt ohnehin nicht leistbare Individualität, Objektivität und Einzelfallgerechtigkeit vermitteln. 2) Angedacht ist vielmehr aus teils recht zwingenden Gründen die Bildung von zwei bis drei sachorientiert gestaffelten Pauschalbeträgen, beginnend bei 200,00 € und insofern schon mit diesem Erstansatz nicht unerheblich oberhalb der Zahlungsverpflichtung aus den Urteilen der Amtsgerichte Hamm und Dorsten liegend. 3) Auf eine in den Musterprozessen im Rahmen der Anspruchsbegründung noch unverzichtbare Immobilienwertermittlung (Grundstückswert, Wohngebäudewert, hypothetischer Mietwert des jew. erschütterungsbetroffenen Grundstücks) wird RAG verzichten. Der Aufwand derartiger Vorermittlungen würde die Ausgleichszahlungsbeträge geradezu konterkarieren.

Unter anderem noch anstehend: Einen großen Raum werden in den letztvorgesehenen Arbeitstreffs die konkreten Verfahrens- und Umsetzungsabsprachen einnehmen, die Art und Rahmen der RAG-seitigen Ausgleichszahlungsangebote, Art und Umfang der später abschließenden Informationsgabe zu formalen Voraussetzungen für die grundeigentümerseitige Anspruchs-/Antragstellung und Zahlungsabrufung (Angebotsannahme) betreffen. Vorbesprochen ist insoweit, dass RAG Möglichkeiten prüft, auf der eigenen Website über eine dortige Grundstücksadresseingabe eine (individuelle) Auskunft zu gerieren, ob Anfragende nach den Auswertungen zum erschütterungsbezogenen Begünstigtenkreis gehören und per Formular-Antrag einen entsprechenden Angebotsabgabe-/annahmevorgang einleiten können.

Hinweis: Für eine grundlegende Informationsgabe, wie z. B. in diesem Artikel, werden im Übrigen und unter anderem die VBHG-Website (und sicherlich auch die Informationsmöglichkeiten gleichgerichteter Interessenverbände) zur Verfügung stehen.

Interessierte sind insofern gebeten, von Zeit zu Zeit die VBHG-Website auf entsprechende Fortentwicklungen/Abschlüsse der Gespräche zwischen RAG und VBHG hin zu sichten. VBHG-Mitglieder, vornehmlich seinerzeit in die Musterprozess-Aktion durch vorsorgliche Anspruchsanmeldung einbezogene VBHG-Mitglieder, werden zu gegebener Zeit zusätzlich und direkt über Rund- und Individualschreiben informiert werden.

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