Rückbau von Entspannungsbohrungen und -gräben in Bergschadensgebieten

Die Bergwerksgesellschaften haben in den letzten Jahrzehnten bis zur Schließung der letzten fördernden Schachtanlage im Jahre 2018 Bergschadenssicherungsmaßnahmen an Gebäuden durchgeführt. Ziel der Prophylaxe war ein größtmöglicher Schutz (= Schadenminderung/- verhinderung) des Gebäudebestands.

Das Umdenken der Bergbaubetriebe begann in den 1980er Jahren, auch weil im Rahmen der Betriebsplanverfahren für die Zulassung der Abbaue durch die zuständigen Genehmigungsbehörden entsprechende Vorgaben gemacht wurden, um einen verbesserten Schutz des Eigentums zu gewährleisten.

Horizontale Einwirkungen auf einen Baukörper durch bergbaubedingte Pressungen können gravierende Schäden verursachen. Die Auswirkungen bewegen sich von Haarrissen bis hin zu massiven Rissen und Verschiebungen, die zu einer Beeinträchtigung der Standsicherheit bis hin zum Totalschaden führen können, die in letzter Konsequenz auch den Abbruch des Bauwerks erfordern. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Auswirkungen auf Ver- und Entsorgungsleitungen.

Prophylaktische Maßnahmen zur Schadensminderung
Die Markscheider der Bergwerke konnten für die Abbaufelder die pressenden Einwirkungen in im mm/m abschätzen.
Bsp.: 5 mm/m: Auf ein Meter Länge wird der Boden bzw. das Erdreich um das errechnete Maß zusammengedrückt. Das bedeutet einen Wert von 5 cm bei einem Gebäude von 10 m Kantenlänge. Bei biegeweichen, konventionell ausgeführten Kelleraußenmauerwerken kann dies zu deutlichen Verschiebungen und Ausbeulungen der Außenwände nach innen mit massiven Schadensbildern führen.

Die RAG hat deshalb in Bergschadensgebieten seinerzeit mit Hilfe von Polsterungen folgende Entspannungsmaßnahmen im erdberührten Bereich vorgenommen:
- Torfbohrungen in unmittelbarer Nähe des Gebäudes
- Torfgräben direkt am Kelleraußenmauerwerk
- Anlage von bituminösen Kaltfugen im unmittelbaren Hausanschlussbereich (Gehwege/Pflasterflächen, etc.)
- Styroporpolster

Die Entspannungsgräben oder Bohrungen, die mit Torf verfüllt wurden, reichten teilweise relativ tief ins Erdreich hinein. Um Bauwerkssetzungen auszuschließen, wurden die Bohrungen so weit von den Gebäuden entfernt durchgeführt, dass der belastete Baugrund nicht angeschnitten wurde.
Ein prophylaktischer Effekt war nur zu erzielen, wenn die Bohrungen nicht nur bis hinunter zur Fundamentebene sondern in Abhängigkeit von der Entfernung zum Gebäude tiefer angelegt wurden. Manche Bohrungen reichten sogar bis in eine Tiefe von 6 bis 8 Metern. Gegeneinander versetzte Bohrlöcher wurden in Abständen von ca. 20 cm ab einer Tiefe von etwa 40 cm angelegt, die Bohrlöcher in der Regel mit Torf verfüllt und dann meist mit einer starken Folie abgedeckt, um ein Nachrutschen des darüber befindlichen Bodens und der Oberfläche zunächst zu vermeiden. Bei der Anlage der Bohrungen war der lastabtragende Bereich der Fundamente des Bauwerks zu berücksichtigen, welcher nicht geschwächt werden durfte.

Im Zuge der sich einstellenden Bodenkompression wurde der zusätzliche Erddruck auf das Mauerwerk minimiert, weil sich das Füllmaterial in den Bohrungen verformt. Durch die Entspannung im Erdreich wurde die Einwirkung aus der Pressung auf die Konstruktion gemindert und das Schadensausmaß reduziert.

02 Polster aus Torfsäcken 600x800

Schäden an der Tagesoberfläche nach Einbau der Entspannungsmaßnahmen
Jahre nach dem Einbau der Entspannungsmaßnahmen war es nicht ungewöhnlich, dass sich stärkere Absackungen an der Tagesoberfläche ausbildeten. Im Laufe von Jahren – meist sogar Jahrzehnte – verwittert der Torf und sackt nach, das umgebene Erdreich rutscht dann in den Hohlraum. Meist finden sich die Absackungen im Bereich der Hauszuwegung, im Garten, in der Rasenfläche, im Vorgarten oder an befestigten Oberflächen wie z.B. Garagenzufahrten.
Im Laufe der Zeit prägt sich ein zunehmend markantes Schadensbild aus. Dies kann durchaus zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit (Stolpergefahr) führen, da die Oberflächen nicht mehr eben sind. Die Bohrlöcher wurden häufig mit Zementplatten bzw. Gummibändern abgedeckt und mit 30 – 40 cm Erde bedeckt, allerdings gewähren diese Konstruktionen keine dauerhafte Standsicherheit.

Rückbau von Entspannungsmaßnahmen
Wird der Schaden festgestellt und der RAG gemeldet, zeigen unsere Erfahrungen aus der Regulierungspraxis, dass die RAG nach Überprüfung des Sachverhaltes im Einzelfall einen Rückbau von Entspannungsgräben bzw. Entspannungsbohrungen durch Fachfirmen in Erwägung zieht, insbesondere in den Fällen, wo Schäden an der Tagesoberfläche sichtbar sind.

03 Entspannungsbohrung 600x800

04 Entpannungsgarben 600x800

Zunächst werden zur Klärung der Schadensursache Probeschachtungen hergestellt. Wird anschließend der Rückbau zur Instandsetzung der eingefallenen Bohrlöcher oder Gräben vereinbart, entstehen mitunter aufwändige Baustellen, die sich manchmal rund um das Haus erstrecken können.
Die Bohrungen bzw. Gräben werden freigelegt, das alte Material entfernt und die Bohrungen bzw. Gräben im Nachhinein mit Füllsand aufgefüllt und verdichtet. Zum Schluss werden dann die Außenanlagen (Garten und befestigte Flächen) wieder hergestellt.

 Sollten Sie Auffälligkeiten in der vorbeschriebenen Form auf Ihrem Grundstück bemerken, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung. Unsere Sachverständigen werden die Schadensangelegenheit in Augenschein nehmen und prüfen. Bei langjährigen Mitgliedschaften kann möglicherweise anhand der Schadensakte unsererseits oftmals schon ein etwaiger Zusammenhang mit dokumentierten Prophylaxe-Maßnahmen festgestellt werden.

Dipl.-Ing. Jürgen Jaskulski

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