Flachdach
Flachdächer mit einem Gefälle von bis zu 5 Grad (8,75 %), die anstelle einer Dachdeckung eine Dachabdichtung haben, werden als Flachdächer bezeichnet. Flachdächer ohne Gefälle, sogenannte Nulldächer, werden meist dann gewählt, wenn Planungs- und Ausführungskosten eingespart und es sich um Dächer untergeordneter Bauteile handelt. Entsprechend werden Flachdächer mit Gefälle meist bei höherwertigen Gebäuden gewählt.
Im Jahre 2017 wurde eine neue Flachdachrichtlinie eingeführt. Zwischenzeitlich ist es zu weiteren Überarbeitungen, zuletzt zum 1. Juli 2023, gekommen und soll nun im Herbst 2024 von der aktuell noch gültigen Fassung der Flachdachrichtlinie abgelöst werden.
Die grundsätzliche Ausrichtung und Zielsetzung der Flachdachrichtlinie hat sich nicht geändert. Sie soll eine Zusammenfassung der positiven Erfahrungen seitens der auszuführenden und planenden Dachdecker sein, damit die Flachdächer sicher und dauerhaft erstellt werden können.
Flachdächer können bei Berücksichtigung aller Anforderungen sehr komplexe Bauteile sein. Zwar hat sich die Gliederung der neuen Flachdachrichtlinie geändert, ist für die Praxis jedoch uninteressant. Inhaltlich wurden folgende Änderungen vorgenommen:
Gefälle
Planerische Anforderungen an das Gefälle wurden beibehalten und inhaltlich ergänzt. Einerseits wurden die erforderlichen Maßnahmen und Konsequenzen für Fälle aufgenommen, in denen vertraglich ein definiertes, ausgeführtes Gefälle vereinbart wird. Andererseits wurden Pfützen und stehendes Wasser auf Dächern mit einem Gefälle von 5 % als Normalzustand und zulässig explizit mit aufgenommen.
Details
Für Durchdringungen, die mit Flüssigkunststoffen ausgeführt werden, wurde der Abstand der Durchdringung untereinander auf mindestens 10 cm reduziert. Für bahnförmige Abdichtungen gilt weiterhin der Abstand von mindestens 30 cm zwischen den Flanschaußenkanten.
Unterkonstruktion
Bei Unterkonstruktionen aus Holzwerkstoffen sollte eine Planung und Ausführung von Trennschichten durchgeführt werden. Feuchteabhängige Längenänderungen bei Holzwerkstoffen treten in der Regel in deutlich geringeren Dimensionen auf als bei Schalungsbrettern.
Funktionsschichten
Zahlreiche Dachdeckerunternehmen berichteten in den vergangenen Jahren über ein auffälliges Schrumpfverhalten von Polymerbitumenbahnen mit Polyestervlieseinlage am Querstoß. Viele Auftraggeber behaupteten, dass es dadurch zu Undichtigkeiten kommt. In der Praxis konnte dieses nur in wenigen Fällen bestätigt werden. Dennoch wird eine Erhöhung der Überlappung am Querstoß auf 12 cm empfohlen.
Aus baupraktischer Sicht ist die wohl wichtigste Änderung der Flachdachlinie die Aufnahme der barrierefreien Übergänge. Hier wurde im Jahre 2020 die „Planungshilfe barrierefreie Übergänge bei Dachterrassen und Balkonen“ veröffentlicht, in der die Schnittstellenprobleme zwischen den einzelnen Gewerken und die Erfordernisse aus abdichtungstechnischer Sicht dargestellt wurden. Diese Planungshilfe ist in die Flachdachrichtlinie übernommen und nur an einigen wenigen Stellen konkretisiert bzw. angepasst worden.
Flachdächer ohne Gefälle stellen eine Sonderkonstruktion dar. Sie werden der sogenannten Anwendungskategorie K2 zugeordnet. Gegen der im Vergleich zu Gefälledächern höheren äußeren Beanspruchung in Zusammenhang mit dem stehenden Wasser sind bei Nulldächern besondere Maßnahmen vorzunehmen. Diese betreffen in erster Linie die Auswahl der Abdichtungsmaterialien, die nach der Anwendungskategorie K2 festzulegen sind.
Gegenüber der Norm verzichtet die Flachdachrichtlinie auf die sogenannten Anwendungskategorien K1 und K2.
Neben üblichen Toleranzen bei der Herstellung kann auch die bergbaubedingte Schieflage eines Gebäudes der Grund einer Standwasserbildung auf einem gefällelosen Flachdach sein. In der Vergangenheit wurden beim Bau von Dächern üblicherweise bergbaubedingte Einwirkungen nicht berücksichtigt, außer die Bergwerksgesellschaft hat explizit darauf hingewiesen, dass durch die damals zu erwartenden Einwirkungen Einläufe in bestimmten Bereichen zu orientieren bzw. entsprechende Vorgefälle einzubauen sind.
Bei genutzten Flachdächern, hierzu zählen z. B. Dachterrassen oder begrünte Dachflächen, sind die Vor- und Nachteile der jeweiligen Konstruktion ähnlich differenziert zu betrachten wie bei nicht genutzten Dächern. Hier wird unterschieden, ob die Abdichtungsebene zugleich die Oberfläche darstellt oder noch ein weiterer Belag als Schutz aufzubringen ist. In der Vergangenheit wurden z. B. Dachterrassen häufig mit in einem Mörtelbett verlegten Plattenbelag hergestellt. Das gewünschte Gefälle müsste dabei über die Plattenverlegung erzielt werden. Dagegen werden die Plattenbeläge von Terrassen heute im Kiesbett oder auf Stelzlagern in Waage und lose verlegt. Die darunterliegende Abdichtung erhält dabei das gewünschte Gefälle. Bei einer späteren Sanierung kann durch leichtes Entfernen des Plattenbelages die Entwässerungsebene wieder instandgesetzt werden. Anderenfalls müsste die komplette Terrasse saniert werden.
Die Herstellung begrünter Flachdächer ist eine besondere anspruchsvolle Bauaufgabe, da die Abdichtungsebene einer hohen Beanspruchung ausgesetzt ist. Es ist ein Gefälle von mindestens 1,5 % vorzusehen, da ansonsten die Gefahr der Versumpfung besteht.
Bei einer anstehenden Flachdachsanierung sollte im Vorfeld die Entwässerungsgefällesituation untersucht werden, um ggf. Maßnahmen zur Ertüchtigung einzuplanen. Bei sorgfältiger Arbeitsausführung wird dann die übliche Nutzungsdauer der Abdichtung überschritten.
Schließlich ist die Entscheidung für ein Flachdach mit oder ohne Gefälle gleichrangig, solange der Aufbau den anerkannten Regeln der Technik entspricht und die Arbeiten ordnungsgemäß ausgeführt werden. Dann werden keine Undichtigkeiten entstehen, und der Hauseigentümer wird keine böse Überraschung erleben.
Dipl.-Ing. Andreas Kumer