VBHG
Integrales Monitoring für den Grubenwasseranstieg im Steinkohlenbergbau

Bereits im Vorfeld der im Jahr 2018 vollständig erfolgten Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus wurden Konzepte entwickelt, die untertägige Wasserhaltung innerhalb der regionalen Reviere zurückzufahren und das Grubenwasser teils um mehrere hundert Meter ansteigen zu lassen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist infolge dieser von der RAG AG benannten „Optimierung“ der Grubenwasserhaltung großräumig von weitgehend gleichmäßigen Geländehebungen auszugehen, die zunächst lediglich wenige Zentimeter betragen werden, sich jedoch ggf. langfristig auch auf einen Dezimeterbetrag aufsummieren können.
Seitdem vor einigen Jahren seitens des VBHG der Nachweis geführt wurde, dass zahlreiche nach Abbauende neu aufgetretene Gebäudeschäden im Erkelenzer Steinkohlenrevier auf den regionalen Grubenwasseranstieg zurückzuführen waren, ist heute im Bereich stillgelegter Bergwerke grundsätzlich eine entsprechende Aufmerksamkeit angezeigt. Diverse Abhandlungen des VBHG zu diesem Thema finden sich in früheren Ausgaben der Mitgliederzeitschrift VBHG informiert sowie auf unserer Homepage (www.vbhg.de). Als Grundlage für den im Jahr 2002 erbrachten Nachweis eines Zusammenhangs zwischen der damaligen Aufgabe der Grubenwasserhaltung und den neu aufgetretenen Schäden waren neben eigenen Schadensbeurteilungen und Messbeobachtungen insbesondere auch umfangreiche Recherchen zu den innerhalb der Schächte erfassten Pegeldaten sowie den im Regionalbereich seitens der Landesvermessung erfassten Höhenveränderungen erforderlich.
Da nach bisherigem Kenntnis- und Erfahrungsstand keine gesicherten Prognosen möglich sind, inwiefern auch ein Grubenwasseranstieg in anderen Bergbauregionen zu schadensrelevanten Geländehebungen führen wird, hat sich der VBHG in den vergangenen Jahren sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch im Saarland dafür eingesetzt, dass die Auswirkungen über ein regionales Monitoringprogramm kontrolliert werden. Nach zahlreichen Vorträgen auf Fachtagungen, in denen auf die Problematik aufmerksam gemacht wurde, wurde beispielsweise im Jahr 2019 im Rahmen eines von der Bergbehörde NRW gemeinsam mit der Technischen Hochschule Georg Agricola veranstalteten Kolloquiums im Interesse der Grundeigentümer eine allgemein zugängliche Informationsplattform zur transparenten Darstellung des Grubenwasseranstiegs mit seinen Auswirkungen gefordert.
Nach einer seitens des nordrhein-westfälischen Wirtschafts- und Umweltministeriums initiierten Auftaktveranstaltung im Januar 2020 erfolgte schließlich im August des Jahres die konstituierende Sitzung zum „Integralen Monitoring für den Grubenwasseranstieg in NRW“. Hier wurde das Projekt dahingehend erläutert, dass für den Monitoringprozess auf unterschiedlichen Ebenen eine weitreichende Beteiligung verschiedener Behörden, Organisationen und Verbände vorgesehen ist. Als Interessenvertreter Bergbaubetroffener hat der VBHG daraufhin seine Teilnahme in der sogenannten Konzeptgruppe „Bodenbewegung“ bekundet, die unter der Leitung der Bergbehörde für die Festlegung von Zielvorgaben hinsichtlich auftretender Bodenbewegungen, Erderschütterungen und Tagesbruchgefahren zuständig ist. (https://www.grubenwasser-steinkohle-nrw.de)
Anzumerken ist, dass die Bergbehörde innerhalb üblicher Genehmigungsverfahren nicht für privatrechtliche Belange wie die Bergschadensregulierung, sondern lediglich für öffentlich-rechtliche Aspekte wie die Abwehr von Gefahren zuständig ist und gemäß eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.03.1989 („Moers-Kapellen-Urteil“) den Fokus eines Monitorings auf zu vermeidende Substanzschäden („Schäden von einigem Gewicht“) legt. Der VBHG hat sich daher im Rahmen der Konzeptgruppensitzungen zunächst dafür eingesetzt, dass auch sonstige mögliche Schäden („kleine und mittlere Schäden“) in den Blick genommen werden. So sollen Umfang und Genauigkeit eines Monitorings auch darauf abzielen, dass die gewonnenen Daten als Grundlage für eine Beurteilung eines möglichen Entschädigungsanspruchs herangezogen werden können, was für Schäden sowohl aus zukünftigen Geländehebungen als auch aus hieraus resultierenden Erderschütterungen gilt. Auf ggf. eintretende Auffälligkeiten soll mit einer entsprechenden Verdichtung des Beobachtungsnetzes reagiert werden.
Nachdem die im Erkelenzer Steinkohlenrevier neu aufgetretenen Schäden gemäß einer wissenschaftlichen Analyse des Autors im Bereich von sich linienhaft ausprägenden, ungleichmäßigen Vertikalbewegungen sichtbar wurden, wurde seitens des VBHG auch darauf hingewirkt, dass bekannte Problembereiche – wie bereits während der früheren Abbauphase aufgetretene Unstetigkeitszonen – in einer Übersichtsdarstellung kartiert werden. Nach einer seitens der RAG angefertigten Darstellung abbaubedingter Unstetigkeiten für die Wasserprovinz Lohberg wurde eine Verständigung sowohl hinsichtlich einer Überarbeitung mit besserer Lesbarkeit als auch auf eine Darstellung für die übrigen Grubenwasseranstiegsbereiche erzielt.
Wogegen zwischenzeitlich die Arbeit der Konzeptgruppen „Ausgasung“, „Wasser“ und „Bodenbewegung“ in NRW bereits weitestgehend abgeschlossen wurden und nunmehr die regionalen Arbeitsgruppen entsprechende Grundsätze für die Umsetzung der definierten Ziele erarbeiten müssen, fand im März 2024 im Saarland eine entsprechende Auftaktveranstaltung für ein Integrales Monitoring zum Ansteigenlassen des Grubenwasserspiegels in den dortigen Wasserprovinzen Reden und Duhamel statt. Wie bereits im Rahmen des vorangegangenen Planfeststellungsverfahrens wird sich der VBHG auch hier im Interesse potenziell betroffener Grundeigentümer für eine transparente Darstellung der Maßnahme sowie der hieraus resultierenden Auswirkungen einbringen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass im Rahmen eines Grubenwasseranstiegs je nach früherer Abbausituation und in Abhängigkeit der regionalen geo-/hydrologischen Situation grundsätzlich auch neue Schäden an der Tagesoberfläche auftreten können. Wenngleich keinesfalls flächendeckend mit neuen Bergschäden zu rechnen ist, ist es zukünftig wichtig, neuen Schadensmeldungen aus den sogenannten Stillstandsgebieten auch unabhängig vom konkreten örtlichen Abbauende nachzugehen. Um einen möglichen Zusammenhang erkennen zu können, sind im Rahmen der Arbeit eines mit der Problematik befassten Sachverständigen zunächst die aus einem Monitoring resultierenden Informationen erforderlich. Da sich derartige Schäden erfahrungsgemäß sehr langsam entwickeln, können ggf. objektbezogene Messbeobachtungen über die auch während der Abbauphase für Schieflagenmessungen genutzten Höhenbolzen frühzeitig zu einem aussagekräftigen Ergebnis führen.
Dr.-Ing. Volker Baglikow